Entstehung & Aufrechterhaltung
Wie entstehen Depressionen und wie werden sie aufrechterhalten?
Depressionen können verschiedene Ursachen haben. Zumeist sind viele verschiedene Faktoren (wie einzelne Mosaiksteine oder Puzzlestücke) daran beteiligt, dass eine Depression entstanden ist. Dies sind genetische Faktoren und eine gestörte Balance von Hirnbotenstoffen, aber vor allem auch ungünstige Lernerfahrungen (meist schon im Kindes- und Jugendalter) und bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Aufrechterhalten wird eine Depression über verschiedene sich-selbst-verstärkenden Teufelskreise.
Heutige Modelle der Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression sind sogenannte "multifaktorielle Modelle". Diese Modelle gehen davon aus, dass eine Vielzahl verschiedener Faktoren und deren Wechselwirkung dazu beitragen, dass eine Depression entsteht und bestehen bleibt oder wiederkehrt.
Das Herausarbeiten von individuellen Faktoren ist ein wichtiger Schritt in jeder Psychotherapie – so kann ein*e Patient*in mithilfe seines*r Therapeut*in verstehen, was genau die Depression ausgelöst hat und wie er*sie die aufrechterhaltenden Faktoren abbauen kann.

Was macht möglicherweise für eine Depression empfänglich?
Biologische Faktoren:
Es gibt eine gewisse genetische Vorbelastung für das Auftreten einer Depression, wie man beispielsweise an Untersuchungen mit eineiigen Zwillingen herausgefunden hat. So liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Menschen, dessen genetisch identischer Zwilling unter einer Depression leidet, dafür, ebenfalls an einer Depression zu erkranken, bei ca. 60% und ist damit deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Der genetische Einfluss auf die Entstehung einer Depression wird auf 41% geschätzt.
Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass die Balance bestimmter Botenstoffe ("Neurotransmitter") im Gehirn gestört ist. Vor allem ein Mangel der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin scheint eine Rolle bei der Entstehung einer Depression zu spielen. Dies erklärt auch, warum eine zusätzliche medikamentöse Behandlung hilfreich sein kann.
Psychologische Faktoren:
Noch entscheidender für das Entstehen und die Aufrechterhaltung einer Depression sind psychologische Faktoren wie bestimmte Lernerfahrungen, Lebensereignisse und Persönlichkeitsfaktoren. Besonders wichtig sind sogenannte sich-selbst-verstärkende "Teufelskreise".
Im Hintergrund der Entstehung späterer Depressionen stehen häufig verschiedene negative Erfahrungen bereits im Kindesalter. Oft berichten Betroffene, dass ihre eigenen Bedürfnisse nicht gezählt haben und zurückgestellt werden mussten. Häufig wurde die Erfahrung von Ablehnung und Ausgrenzung gemacht und Hilflosigkeit erlebt. In der Ursprungsfamilie galten oft hohe Standards, das Leben war eher auf Pflichterfüllung als auf Genuss ausgerichtet.
Als Folge haben Betroffene dann nicht ausreichend gelernt, eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen. Auch das Mitteilen und Vertreten eigener Bedürfnisse haben die Betroffenen nicht ausreichend gelernt. Das Selbstwertgefühl ist oft nur schwach ausgeprägt oder von einseitig von äußeren Faktoren abhängig (wie zum Beispiel Leistung und Anerkennung). Häufig wurden die hohen Standards verinnerlicht.
Auf diesen "vorbereiteten Boden" trifft dann zum Zeitpunkt des Erstauftritts der Depression häufig eine zusätzliche Belastungssituation. Dies kann zum Beispiel eine Überforderung durch neue Anforderungen sein oder auch ein erlittener Verlust. So kann ein Arbeitsplatzwechsel oder eine Beförderung zu einem "plötzlichen" Ausbruch der Depression führen, da die neue Belastung schlussendlich das sinnbildliche Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Wichtig ist hier, dass zumeist kein einzelner Faktor verantwortlich für die Entstehung der Depression ist. Vielmehr haben verschiedene Mosaiksteine aus Biologie, Kindheit, Persönlichkeit und speziellen Lebenserfahrungen zu der depressiven Entwicklung beigetragen.
→ Die biografisch-systemische Verhaltenstherapie ist in besonderer Weise geeignet, Ihre persönlichen Mosaiksteine zu identifizieren.
Wie wird eine Depression aufrechterhalten?
Oft bleiben Depressionen dadurch bestehen, dass die Faktoren, die zum Auftreten der Störung geführt haben, weiterhin bestehen. Ist z.B. das Selbstwertgefühl weiterhin niedrig und fällt es weiterhin schwer, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen (was u.a. die Depression entstehen ließ), so halten eben diese Faktoren auch die Depression aufrecht.
Zudem wird eine Depression durch einen sich-selbst-verstärkenden Teufelskreis aufrechterhalten.

Der Teufelskreis der Depression:
Der Teufelskreis der Depression besteht darin, dass Betroffene durch depressiv gefärbte Gedanken, ungünstiges Verhalten und einen Mangel an Aktivitäten immer weniger positive Erlebnisse haben, wodurch sich ihre negative Sicht auf sich selber und die Welt zunehmend verfestigt. Die Depression findet bildlich gesehen also keinen Widerstand und kann es sich regelrecht in Betroffenen "gemütlich machen".
Heutige Modelle der Depression gehen davon aus, dass eine Depression durch drei Faktoren aufrechterhalten wird:
- depressiv gefärbte Gedanken (über sich selber, die Umwelt und die Zukunft)
- ungünstige soziale Verhaltensweisen
- Mangel an Aktivitäten
Diese drei Faktoren führen dazu, dass Betroffene immer weniger positive Erlebnisse haben, was wiederum die negativ getönten Gedanken vermeintlich bestätigt.

Um sich diese Faktoren zu verdeutlichen, stellen Sie sich doch einmal dieses Beispiel vor:
Ein*e Betroffene*r bekommt eine Einladung zu einer Feier bei einer Kollegin. Diese Einladung löst einen depressiv getönten Gedanken aus "Das schaffe ich nicht, was soll ich da? Ich bin doch ohnehin nur eine Spaßbremse." Aus diesen Gedanken entstehen negative Erwartungen bezüglich der Feier (negative Erwartung bezüglich der Zukunft: "Wenn ich dort hingehe, werde ich nur wie Falschgeld herumstehen. Ich werde mit niemandem ein Gespräch führen können." Dies führt womöglich zu weiteren Selbstabwertungen ("Ich bin sozial total unfähig."), vielleicht werden auch die Absichten der anderen hinterfragt ("Die laden mich doch nur ein, weil sie Mitleid mit mir haben.").
Hieraus folgt nun vielleicht eine Absage der Feier. Den betreffenden Abend verbringt der*die Betroffene alleine auf der Couch. Durch die Vermeidung des Kontaktes ("sozialer Rückzug") entsteht kein positives Erlebnis mit unterstützenden Sozialkontakten (sogenannten "Verstärkern"). Stattdessen wird die depressive Stimmung verstärkt und der*die Betroffene erlebt Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit. Der Abend auf der Couch verstärkt eher noch das Erleben von Lethargie und Antriebslosigkeit. Möglicherweise zieht sich auch die Kollegin nach der Absage zurück, so dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, zur nächsten Feier eingeladen zu werden. Hierdurch bestätigen sich wiederum negative Gedanken ("Mich will keiner dabei haben").
Auch wenn dies ein stark vereinfachtes Beispiel ist, so macht es doch deutlich, wie sich depressive Symptome selbst verschlimmern können, wenn man Ihnen nicht zuwider handelt. Im Zuge einer Verhaltenstherapie analysiert ein* Patient*in gemeinsam mit dem*r Therapeut*in verschiedene Situationen, um den persönlichen Teufelskreis der Depression zu erarbeiten.