Erklärung
Agoraphobie und Panikstörungen sind Angststörungen.
Betroffene einer Agoraphobie haben Angst vor bestimmten Situationen wie Busfahren, Menschenmengen, Essen gehen. Diese Situationen werden dann in vielen Fällen aus Angst systematisch vermieden. Bei einer Panikstörungen tritt die Angst bei einem Betroffenen ganz plötzlich und nahezu "aus dem Nichts" auf. Auch scheinbar "harmlose" Situationen führen zu extremen Gefühlen der Angst.
Angst – ein normales Gefühl?
Alle Menschen kennen das zeitweilige Erleben von Angst. Angst an sich ist ein ganz normales und sinnvolles Gefühl und hat die Funktion, uns vor gefährlichen Situationen zu warnen und zu schützen. Angst äußert sich dabei auf verschiedenen Ebenen:
- In unserem Gedanken: "Achtung, da kommt ein knurrender Hund auf mich zu!
- In unseren Gefühlen: Ich erlebe Angst/ Ich habe Angst!
- In unseren Körperreaktionen: Schwitzen, Muskelanspannung, Zittern, Herzrasen...
- In unserem Verhalten: Flucht, aber auch Vermeidung der gefährlichen Situation
Von einer Angststörung spricht man hingegen, wenn die Angst unangemessen stark in an sich ungefährlichen Situationen auftritt und die Betroffenen deutlich belastet und in ihrem Leben einschränkt.
Welche Angststörungen gibt es noch?
Agoraphobie und Panikstörung sind nicht die einzigen Angststörungen. Hier finden Sie einen kleinen Überblick über diese Formen der Angst.
- Soziale Phobie: Bei einer sozialen Phobie tritt die Angst in Situationen auf, in denen der Betroffene im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht oder von anderen bewertet wird. Dies könnte bei einem Vortrag vor Kolleg*innen sein, oder auch in Situationen im Freundeskreis.
- Spezifische Phobien: Die wohl bekanntesten Phobien finden sich in diesem Bereich. Die Angst bezieht sich hier auf ganz bestimmte Situationen oder Objekte, wie zum Beispiel Höhen, Tiere (besonders Spinnen) oder Blut/ Spritzen/ ärztliche Termine.
- Generalisierte Angststörung: Die Betroffenen leiden unter ständigen Sorgengedanken.
Gerichtete Ängste
Soziale Phobien, spezifische Phobien und Agoraphobie werden zu den sogenannten gerichteten Ängsten gezählt. Damit ist gemeint, dass die Angst in recht eindeutig definierbaren Situationen auftritt.
Ungerichtete Ängste
Panikstörung und generalisierte Angststörung werden zu den ungerichteten Ängsten gezählt. Die Angst tritt nicht nur in eindeutigen Situationen auf, sondern kann jederzeit "ausbrechen".
Aufgrund der Vielfalt von Angststörungen ist es besonders wichtig, dass der*die Therapeut*in eine umfassende Diagnostik mit dem*r Patient*in durchführt, um eine ganz eindeutige Diagnose treffen zu können. Hierbei werden spezielle Fragen zu den vorliegenden Ängsten und den konkreten Situationen, in denen die Ängste auftreten, gestellt, sowie verschiedene Fragebögen vorgelegt. Denn auch hier gilt wieder: Je genauer die Diagnostik, desto erfolgversprechender die Behandlung!
Was ist typisch für eine Agoraphobie?
Betroffene einer Agoraphobie erleben in mindestens zwei Arten von Situationen deutliche Furcht. Daher werden diese Situationen im Alltag vermieden, was verständlicherweise zu deutlichen Einschränkungen in vielen Bereichen führt.
Typische Situationen, die Angst auslösen können:
- Menschenmengen (z.B. Kino, Versammlungen, Einkaufszentren)
- öffentliche Plätze
- alleine reisen, sich weit von zuhause entfernen
- Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen oder Bahnen
Was haben diese Situationen nun gemeinsam?
In all diesen Umgebungen ist ein schnelles Zurückkehren an einen sicheren Ort (zuhause) nicht ohne weiteres möglich, man ist der Situation quasi "ausgeliefert". Eine Agoraphobie kann nun mit oder ohne begleitende Panikstörung vorliegen. Leidet man nun unter der Kombination aus beiden Angststörungen, was nicht selten ist, kann sich die Angst in den beschriebenen Situationen bis hin zur Panik steigern.
Sie erinnern sich an die verschiedenen Ebenen, auf denen Angst auftreten kann.
Gehen wir das ganze am Beispiel durch.
Lisa S. leidet unter einer Agoraphobie mit Panikstörung. Das Reisen mit Bussen oder Bahnen macht ihr große Angst, weswegen sie meistens mit ihrem Fahrrad unterwegs ist. Auch die Menschenmengen, die man in Hamburg an vielen Ecken und Enden findet, kann sie nur schwer ertragen. Nun steht sie allerdings vor einem Problem: Ihre gute Freundin Anna hat sie eingeladen, mit ihr einen Kaffee in der Innenstadt trinken zu gehen. Da Lisa in Alsterdorf wohnt, ist der Weg mit dem Fahrrad weit, und zu allem Überfluss ist auch noch Samstag. Die Stadt ist überfüllt! Nun steht sie aber doch an der U-Bahn-Haltestelle und ist sich noch sehr unschlüssig, was sie tun soll.
Schauen wir uns an, was in Lisa vorgeht.
Typische Gedanken:
- "Ich muss ihr absagen, nachher bekomme ich in der Bahn oder spätestens am Rathausmarkt einen Angstanfall!"
- "Mir wird ganz komisch..."
- "Gleich bekomme ich einen Herzinfarkt!"
- "Das halte ich nicht aus, ich muss hier raus!"
- "Und wenn ich gleich gehe, was denken dann die Leute über mich??"
Typisches Gefühle:
- Angst: vor Kontrollverlust, vor dem Losschreien, vor dem Verrücktwerden, vor einem Herzanfall
- Scham
- Ärger/Wut über sich selber
- Traurigkeit
- "Unwirklichkeit"/ Entfremdung: Ein Gefühl, als sei die Umgebung "weit weg", "wie im Film" und als wäre man selber "nicht wirklich hier"
Typisches Körpererleben:
- schneller Herzschlag/ Herzrasen/ Herzklopfen
- Schweißausbrüche
- Mundtrockenheit
- Atembeschwerden
- Beklemmungs- und Engegefühle in der Brust
- Übelkeit
- Hitzewallungen oder Kälteschauer
- Zittern
- Taubheits- oder Kribbelgefühle
- Schwindel
- Benommenheit
Mögliches Verhalten:
- Lisa nimmt doch nicht die Bahn, sondern geht wieder nach Hause.
- Sie verschiebt die Verabredung auf eine Zeit und einen Ort, wo wenig Menschen unterwegs sind.
- Sie meidet die Menschenmenge der Stadt.
- Sie steigt in die Bahn, flüchtet dann aber zwei Haltestellen später aus der Situation.
- Sie nimmt Beruhigungsmittel, um den Tag zu überstehen.
- Sie bittet ihre Freundin, sie abzuholen.
Lisa S. ist damit nicht nur der Kaffee mit ihrer Freundin erschwert worden. In ihrem Alltag trifft sie ständig auf solche Situationen: Sie nutzt gar keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr, geht nur noch zu bestimmten Zeiten einkaufen, wenn der Supermarkt fast leer ist, besucht keine Konzerte oder Kinofilme mehr und lässt sich bei wichtigen Terminen immer begleiten. Sie sehen also, wie eine Agoraphobie den ganzen Alltag in ihren Fängen hat.
Im Folgenden finden Sie weitere Informationen über dieses Störungsbild und die Behandlung, die die "Rückkehr in den Alltag" ermöglichen soll.
Was ist typisch für eine Panikstörung?
Charakteristisch für eine Panikstörung ist, dass Betroffene an wiederholten Panikattacken leiden, die nicht in speziellen Situationen, sondern vielmehr abrupt und schlecht vorhersehbar auftreten.
Die Betroffenen fürchten also nicht bestimmte Situationen, sondern fürchten das Angstgefühl an sich mit seinen körperlichen und psychischen Begleiterscheinungen. Es handelt sich quasi um eine intensive Angst vor der Angst.
Die einzelnen auftretenden Panikattacken sind Momente starker Angst. Sie beginnen plötzlich und erreichen innerhalb weniger Minuten ein Maximum der Angst. Meist dauern diese Episoden nur kurze Zeit an (wenige Minuten). In dieser Zeit verspürt der Betroffene aber einen starken Leidensdruck und sucht schnellstmöglich einen Weg, dieser Angst und der Situation zu entkommen. Innerhalb dieser Panikattacken erlebt der Betroffene auch verschiedene starke körperliche und psychische Symptome ähnlich denen einer Agoraphobie.
Auch hier berichten Betroffenen von Unwirklichkeits- und Entfremdungsgefühlen sowie von einer starken Angst vor Kontrollverlust und einer Angst, tatsächlich zu sterben.